1. Überblick
Ob behördliche Erklärungen im konkreten Fall eine bindende Verpflichtung für ein späteres Verwaltungshandeln erzeugen, ist immer wieder von erhöhter Klausurrelevanz. Innerhalb der Klausur spielt die Zusage oder Zusicherung (§ 38 VwVfG) – deren beider Oberbegriff die Zusage im weiten Sinne ist – regelmäßig eine Schlüsselrolle. Wichtig ist zunächst, dass Sie sprachlich korrekt trennen: Hinter dem Begriff der Zusicherung verbirgt sich die Verpflichtung einer Behörde, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen oder zu unterlassen. Hingegen sprechen Sie von einer Zusage, wenn die Behörde sich zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichtet hat.
2. Bezug zur Klageart
2.1 Leistungs- oder Verpflichtungsklage
Die Problematik kann Ihnen zum Einen innerhalb der Leistungsklage – als auch innerhalb der Verpflichtungsklage begegnen. Begehrt der Kläger unter Hinweis auf eine Erklärung der Behörde aus der Vergangenheit eine bestimmte Leistung, so ist die Leistungsklage statthaft; ist das Klagebegehren hingegen auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet, handelt es sich um ein Verpflichtungsbegehren dem die Verpflichtungsklage entspricht. Sie prüfen dann zunächst die Zulässigkeit der jeweiligen Klageart. Innerhalb der Begründetheit haben Sie darzustellen, ob und aus welcher Grundlage sich ein Anspruch des Klägers ergibt. Hier wird deutlich, dass die Zusage oder die Zusicherung einen wichtigen Part innerhalb des Gesamtwerks Ihrer Klausur darstellt. Das bedeutet, dass Sie bei der Anspruchsgrundlage zum Einen auf den Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Sonderbeziehung abstellen. Dieser kann sich aus einer Zusage im weiteren Sinne oder aus öffentlich-rechtlichem Vertrag (siehe dazu Teil II ) ergeben. Erst im zweiten Schritt kommen Sie auf die einfachgesetzlichen Grundlagen zu sprechen und gelangen damit zu der Ihnen bekannten Prüfung. In der Regel wird der Anspruch aus der öffentlich-rechtlichen Sonderbeziehung nicht bestehen, da die Klausurersteller Sie zur weiteren Prüfung anhalten wollen. Dennoch, wer bereits den Anspruch aus der öffentlich – rechtlichen Sonderbeziehung, insbesondere aus der Zusage oder Zusicherung übersieht, hat im weiteren Fortgang unnötigerweise wesentlich schlechtere Karten. –
2.2. Anfechtungskonstellation
Neben der oben beschriebenen Leistungs- oder Verpflichtungskonstellation kann Ihnen die Zusicherung bezüglich eines Verwaltungsaktes auch eingekleidet in die Anfechtungsklage begegnen. In dieser Klausurkonstellation wurde ein bestimmter Verwaltungsakt – entgegen der Zusicherung der Behörde eben dies nicht zu tun – erlassen. Heben Sie sich an dieser Stelle deutlich von der Masse ab, indem Sie eine präzise Prüfung vornehmen und formulieren, worauf es ankommt. Die Rechtswidrigkeit des Bescheids kann einerseits aus der Zusicherung folgen. So ist der erlassene Bescheid i.S.d § 113 I 1 VwGO rechtswidrig, wenn sich die Behörde durch ihre Erklärung tatsächlich gebunden hat. Abzugrenzen ist die Zusicherung häufig vom bloßen Hinweis, dem es am Regelungscharakter mangelt. In der Regel hat sich die Behörde mit ihrer Erklärung nicht gebunden, so dass Sie mit der Prüfung eines Anspruchs aus den Ihnen bekannten Ermächtigungsgrundlagen fortfahren. Möglich ist auch die konträre Situation: Dann haben Sie die Zulässigkeit und Begründetheit eines Anfechtungsrechtsbehelfs gegen die Aufhebung einer Zusicherung zu prüfen. Hier dürfen Sie innerhalb der Begründetheitsprüfung der Anfechtungsklage die subjektive Rechtsverletzung nicht vergessen.
2.3. Feststellungsklage
Eher selten wird die Feststellungsklage – gerichtet auf die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 38 III VwVfG – in Klausuren abgeprüft.
3. Zweistufige Prüfung
Begegnet Ihnen die Zusage im weiten Sinne in der Klausur, gehen Sie – nachdem Sie für sich geklärt haben, ob eine Zusage oder eine Zusicherung vorliegt – zweistufig vor:
3.1 – 1. Stufe: Auslegung (selbstverpflichtende Erklärung mit erkennbarem Bindungswillen?)
Setzen Sie bei der Auslegung einen kleinen (!) Schwerpunkt und erläutern Sie, ob die behördliche Erklärung analog §133 BGB nach ihrem auszulegenden Erklärungsinhalt überhaupt eine verbindliche Erklärung beinhaltet. Grenzen Sie die Zusicherung deutlich von einer bloß unverbindlichen Auskunft ab; bei dieser handelt es sich um einen bloßen Realakt ohne Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten. Sehr häufig scheitert eine Zusage im weiteren Sinne innerhalb der Klausur bereits am Selbstbindungswillen der Behörde, was Sie deutlich herausarbeiten müssen. So liegt eine bloße Auskunft ohne verbindlichen Erklärungsinhalt vor, wenn die Behörde beispielhaft lediglich erklärt, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben mit den baurechtlichen Bestimmungen im Einklang steht. Es handelt sich dann lediglich um eine informative Mitteilung über tatsächliche oder rechtliche Umstände. Eine Zusicherung besteht ebenfalls nicht bei einem Bauvorbescheid, der über einen Teil des späteren Verwaltungsaktes vorab entscheidet, da dieser keine Disposition über die Zukunft trifft, sondern lediglich einen Teil vorab abhandelt. So kann beispielsweise innerhalb eines Bauvorbescheides die Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit vorweggenommen werden. Im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) ist in § 9 BImSchG ein solcher Bauvorbescheid sogar gesetzlich vorgesehen.
3.2 – 2.Stufe: Wirksamkeit der Zusage im weiten Sinne
Sofern nach Ihrer Prüfung eine selbstverpflichtende Erklärung mit Bindungswillen vorliegt, prüfen Sie in der zweiten Stufe die Wirksamkeit der Zusicherung nach § 133 BGB analog. Gemäß § 38 II VwVfG gelten die Grundsätze für Verwaltungsakte hierfür in dem in § 38 II VwVfG aufgeführten Umfang entsprechend.
3.2.1 Formelle Voraussetzungen der Bindungswirkung
Formelle Anforderungen sind die Zuständigkeit (§ 38 I1 VwVfG), das Verfahren (insbesondere die Beteiligung Dritter) und die Einhaltung der Schriftform (§38 I1 VwVfG). Zudem darf die Zusage im weiten Sinne nicht nichtig sein, § 44 VwVfG; die Rechtswidrigkeit schadet demgegenüber nicht, wie sich § 38 II VwVfG entnehmen lässt.
3.2.2 Entfall der Bindungswirkung
3.2.2.1 Entfall der Bindungswirkung durch Rücknahme oder Widerruf
Im Anschluss prüfen Sie inzident, ob die Bindungswirkung nicht entfallen ist durch Rücknahme oder Widerruf (siehe dazu „Rücknahme und Widerruf in der verwaltungsrechtlichen Klausur“). Beachten Sie, dass Sie § 38 II VwVfG i.V.m. § 48 VwVfG bei rechtswidriger Zusicherung und § 38 II VwVfG i.V.m. § 49 VwVfG bei rechtmäßiger Zusicherung zitieren. Hierfür müssen Sie inzident klären, ob die Zusage im weiteren Sinne rechtmäßig oder rechtswidrig war. Dabei orientieren Sie sich daran, ob ein Verwaltungsakt des Inhalts der Zusage i.w.S. rechtmäßig oder rechtswidrig wäre. Die formellen Prüfungspunkte sind Ihnen bekannt und erstrecken sich auf die Zuständigkeit, das Verfahren und die Form. Materiell prüfen Sie die Zulässigkeit der Zusicherung, die Rechtmäßigkeit des zugesicherten Verwaltungsaktes und ggf. eine ordnungsgemäße Ermessensausübung, sofern die gesetzliche Grundlage Ermessen vorsieht.
3.2.2.2 Entfall der Bindungswirkung durch Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 38 III VwVfG
Neben der Rücknahme und dem Widerruf kann die Bindungswirkung durch Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 38 III VwVfG entfallen. Darin liegt Ihr letzter Prüfungspunkt, sofern Anlass zur Prüfung besteht.
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